Jetzt haben mich gleich zwei Amigos gefragt wo denn mein Nachtbüro in Berlin sei. Gnihihi. Ich betreibe mehrere. Grundvorraussetzung ist: Es gibt Kaffee der Sonderklasse – es hat Stil/Kultur und so lange offen bis es draußen wieder hell ist. Heute Nacht wählte ich das Schwarze Cafe in der Kantstraße ungefähr auf der Hälfte des Weges vom Zoologischem Garten (ja genau der mit den Kindern, die mittlerweile ganz schön alt sind) und dem Savignyplatz – einem Zentrum der gehobenen Extravaganz. Das erste Mal besuchte ich das Schwarze Cafe im Juni 1995 anlässlich der Verhüllung des Reichstages durch Christo. Ich hielt damals Nürnberg für eine Großstadt. Nach dem Besuch nicht mehr. Denn nicht nur das Konzept eines durchgehend geöffneten Cafes sondern auch die damals in Deutschland neue Kombination aus Tomaten, Mozarella und Balsamikoessig erleuchtete mich ob meines Irrtums. Entschuldigt, denn ich war jung und hatte keinen Schimmer von der Welt. Seitdem verbrachte ich hier immer wieder genüsslicharbeitsame Stunden alleine, mit Freunden oder Klienten. Als ich in der Nähe gar als gemeldeter Berliner beinahe zwei Jahre wohne habe ich es glaube ich ein bisschen mit dem Schwarzen Cafe übertrieben. Vielleicht kennt ihr solche Situationen. Orte die einem zu vertraut werden – so sehr daß man sich nach Neuem sehnt. Umso lieber komme ich heute immer wieder von Zeit zu Zeit her und geniesse die Stimmung. Ich blicke zum Nebentisch und erblicke Nadja, Ursu, Eva und mich – frisch, jung, auf der Suche nach Leben und in seltsamen Gewändern gekleidet. So würden wir aussehen wenn heute 1995 wäre. Schön wars und deshalb gehört mir die Nacht. Besonders Prädikat dieses Nachtbüros: ich liebe das Pissoir, niemals verfehlst Du dein Ziel.
Mal wieder sitze ich hier am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin. Seit einem viertelJahrhundert eine feste Adresse in meinem Reisekalender, weil “meine” Notarin hier residiert und man als Geschäftsführer ja immer wieder zuverlässige Notare braucht. Habe mich mal wieder in ein normales Cafe gesetzt, um die Straße zu beobachten und es mir gut gehen zu lassen. Und schon geht der Geschichtsfilm im Kopf los. Das Alu-Gebäude versperrt mir die Sicht auf die Volksbühne – eigentlich eine Schande – andererseits gut, dass es da ist, weil vorher da nix war. Brachfläche mit Hundepissplatz ohne besonderen Wert. Heute arbeiten da fleißige Menschen und sorgen für zumindest ein bisschen Steuereinnahmen und damit Berlin nicht ausschließlich von milden Gaben aus dem Länderfinanzausgleich lebt.
Rechts im Bild ist ein imposantes Betongebäude entstanden. Die meisten finden es hässlich weil so brachial. Ich finde es toll, weil ich Art Brut liebe. Das gehört einfach zu meiner Generation. Seltsamerweise war ich noch nie drin. Vielleicht wenn ich hier fertig bin und mir nichts Besseres einfällt. Letzte Woche waren Wahlen in Berlin – ich glaube sie haben nichts gebracht. Der Siffkommunismus trieft hier einfach aus jedem Gulli und während ich meinen zweiten Kaffee trinke, fährt das zweite Polizei-Einsatzkommando mit Sirene vorbei. Viele arme Menschen. Trotz Hauptstadt. Trotz der Billion, die hier versenkt wurde. Ich bin zugereist nach Germany und wäre gerne stolz auf diese Stadt, aber irgendwie geht das nicht. Dazu läuft hier einfach zu viel falsch.
Das ist der Hauptstadt einer Industrienation einfach nicht angemessen. Armut ist kein Grund, kriminell zu werden, meinten meine Eltern. Arm, aber sexy meinte mal einer, dem es egal war, in welchem Bordell er lebt. Das stimmt natürlich. Soweit ich mich richtig erinnere, war im Roten Haus da vorne der Erdbeerclub. Da ging poppen einfacher als heute bei Tinder und auch heute ist Berlin immer noch an jeder Ecke ein billiger Fick zu haben. Wäre ich weder verheiratet noch freischaffender Katholik würde ich mich auf amerikanische College Absolventinnen stürzen die an beinahe jeder Ecke besoffen ihre Abenteuer sammeln wollen bevor sie vom Europatrip samt Tripper nach Howard oder Princeton gehen um ein keusches evangelikales Leben zu führen.
Scheiß drauf – ich laufe jetzt zu unserer Zentrale am Rio-Reisser-Platz und versuche mir einfach nicht auf die Schuhe kotzen zu lassen. Das ist ja auch eine Aufgabe für sich.
Achtung Achtung – ich will es nur gesagt haben bevor mensch später sagen wird hättest Du es halt geschrieben, dann würden wir es dir heute glauben und daher: Heute wird der Betrieb des nachhaltigsten Flughafens in Deutschland eingestellt. Und das während einer Pandemie, die den Flugverkehr für ein Jahrzehnt zumindest halbiert. Mit einer gewissen Unwahrscheinlichkeit könnte der Flugverkehr im Zusammenhang mit der Umsetzung der Klimadiskussion sich sogar für immer verändern.
Fakt ist heute, dass mit der Schließung des Flughafens Berlin und der Übernahme durch Schönefeld eine weitere Umweltsünde manifestiert wird. Denn der Ausstoß an CO2 am neuen Standort erhöht sich unnötig. Wie passiert das?
Erstens freilich durch die mehrfache Transferdistanz zur Innenstadt. Jeder Benutzer des Flughafens verbraucht bei der Anreise ca. das doppelte an Zeit und Energie.
Zweitens durch den offensichtlichen Oversizeeffekt. Wenn ich schätzen müsste und der Flugverkehr wirklich wieder nur eine Richtung nach oben (nach der Pandemie) kennt, dann würde ich von ca.30 Jahren ausgehen bis der Flughafen Schönefeld die richtige Größe für den tatsächlichen Bedarf hat. Bis dahin zahlen wir Alle in barer Münze, Zeit und CO2 für die Fehlplanung.
Drittens und entscheidend: TXL war Bundesmeister bei der Durchlaufzeit zwischen Flieger & Taxi/Bus/Bahn. Eine solche Durchlaufzeit ist kaum organisierbar und in Schönefeld gar nicht gewollt. Vielmehr hat man dem Flughafen ein Einkaufszentrum aufgesetzt für das es entscheidend ist, dass die Verweildauer am Flughafen möglichst lange ist. Natürlich bezahlen wir alle diese Unproduktivität durch unnötige Ausgaben für Strom, Heizung und überflüssig bebauter Fläche. Für die Geschäfte am Flughafen heißt es nicht anderes als überhöhte Mietpreise – für den Fluggast teure Produkte. Warum gibt es eigentlich in Deutschland wo alles geregelt ist keinen Höchstpreis für Kaffee?
Natürlich könnten die PolitikerInnen von SPD,CDU,Grünen die hauptsächlich am Ruder und an der Umsetzung beteiligt sind, heute handeln und den Wahnsinn zumindest für ein Jahrzehnt aussetzen. Es würde Millionen Tonnen CO2 sparen, woran alle drei oben genannten Parteien angeblich Interesse haben. Es wäre an der Zeit mutige Schritte zu gehen und Fehlplanung und Korruption zu beenden. Warum pimpen wir den ICE vom Flughafen FRA nach Berlin Hauptbahnhof nicht auf eine realistische Fahrzeit von 1,5 Stunden. Das ist vergleichbar mit der aktuellen Anbindung von Schönefeld zum Hauptbahnhof. Dann ist halt FRA auch ein Berliner Internationaler Flughafen. Für den Besucher aus USA macht das keinen Unterschied – für die CO2-Bilanz macht es allemal einen Unterschied. Die einzigen die hier eine Gedankensperre haben sind korrupte RegionalpolitiikerInnen weil sie angeblich Macht und auf jeden Fall Posten, Fototermine und kostenlosem Sekt mit Häppchen verlieren. Emanzipiert Euch bitte vom Regionalismus – nicht in jeder Stadt kann es ein internationales Superhub geben – Folge ist Megalomanismus und Geldverschwendung. Lasst uns doch so lange es geht freuen, dass wir überhaupt einen so großen Flughafen in DE haben – so lange es halt geht weil die Flugkapazitäten verlagern sich ohne jegliche Einflussnahme unbekannter Berliner BezirkspolitikerInnen. (Zur Zeit an den Persischen Golf und FernOstChina) Souverän wäre es für Berlin würde es endlich alle Straßenbaustellen abschliessen sowie genügend Kapazitäten zur Verfügung stellen damit die S Bahn wirklich immer fährt und kein running Gag ist. Dann hätte man wirklich was womit man seine Hauptstadt promoten könnte. Übrigens sind beide Maßnahmen ebenfalls CO2 sparend! Ok gleich kommen paar schwäbische Neuberliner und schrieben mir in die Kommentare wie schlimm das ist mit dem Flughafen. Liebe Ökofaxe – ich kenne fünfmal so viele Tegeler und Anrainer die mir geschworen haben, wie schön es ist fix zum Flughafen rüberzumachen wenn man in Urlaub will als Bewohner die sich sonst über den Lärm in der Einflugschneise beschwert haben. Ich bin mir sicher wenn Bürgerentscheide in Berlin bindend wären, dann hätten die Berliner gegen den Schönefeldwahnsinn gestimmt. Ganz sicher. Aber das ist für RotRotGrün wohl zu viel Demokratie.