In Rosa Luxemburgs Schatten

Rosa Luxemburg Platz Berlin

Mal wieder sitze ich hier am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin. Seit einem viertelJahrhundert eine feste Adresse in meinem Reisekalender, weil “meine” Notarin hier residiert und man  als Geschäftsführer ja immer wieder zuverlässige Notare braucht. Habe mich mal wieder in ein normales Cafe gesetzt, um die Straße zu beobachten und es mir gut gehen zu lassen. Und schon geht der Geschichtsfilm im Kopf los. Das Alu-Gebäude versperrt mir die Sicht auf die Volksbühne – eigentlich eine Schande – andererseits gut, dass es da ist, weil vorher da nix war. Brachfläche mit Hundepissplatz ohne besonderen Wert. Heute arbeiten da fleißige Menschen und sorgen für zumindest ein bisschen Steuereinnahmen und damit Berlin nicht ausschließlich von milden Gaben aus dem Länderfinanzausgleich lebt. 

Rechts im Bild ist ein imposantes Betongebäude entstanden. Die meisten finden es hässlich weil so brachial. Ich finde es toll, weil ich Art Brut liebe. Das gehört einfach zu meiner Generation. Seltsamerweise war ich noch nie drin. Vielleicht wenn ich hier fertig bin und mir nichts Besseres einfällt. Letzte Woche waren Wahlen in Berlin – ich glaube sie haben nichts gebracht. Der Siffkommunismus trieft hier einfach aus jedem Gulli und während ich meinen zweiten Kaffee trinke, fährt das zweite Polizei-Einsatzkommando mit Sirene vorbei. Viele arme Menschen. Trotz Hauptstadt. Trotz der Billion, die hier versenkt wurde. Ich bin zugereist nach Germany und wäre gerne stolz auf diese Stadt, aber irgendwie geht das nicht. Dazu läuft hier einfach zu viel falsch. 

Das ist der Hauptstadt einer Industrienation einfach nicht angemessen. Armut ist kein Grund, kriminell zu werden, meinten meine Eltern. Arm, aber sexy meinte mal einer, dem es egal war, in welchem Bordell er lebt. Das stimmt natürlich. Soweit ich mich richtig erinnere, war im Roten Haus da vorne der Erdbeerclub. Da ging poppen einfacher als heute bei Tinder und auch heute ist Berlin immer noch an jeder Ecke ein billiger Fick zu haben. Wäre ich weder verheiratet noch freischaffender Katholik würde ich mich auf amerikanische College Absolventinnen stürzen die an beinahe jeder Ecke besoffen ihre Abenteuer sammeln wollen bevor sie vom Europatrip samt Tripper nach Howard oder Princeton gehen um ein keusches evangelikales Leben zu führen. 

Scheiß drauf – ich laufe jetzt zu unserer Zentrale am Rio-Reisser-Platz und versuche mir einfach nicht auf die Schuhe kotzen zu lassen. Das ist ja auch eine Aufgabe für sich.