BIOFACH 23 – Eine Branche am Scheideweg

Als Öko der ersten Stunde ist es für mich Pflicht und Vergnügen gleichzeitig die Biofach – die weltweit größte Messe für Bioprodukte – zu besuchen. Und klar, wir haben ebenfalls einen Biokosmetikshop (hanfzart.de), der immer wieder neue Produkte braucht. In diesem Sinne eine Triple-Win-Situation. Nun aber eines nach dem anderen. 

Die große Popularität der Messe ist nicht nur positiv. Da es sich um eine erfolgreiche Fachmesse handelt, müssen sich die Veranstalter von Jahr zu Jahr sich immer mehr Endkunden (ja genau die OttonormalverbraucherInnen) erwehren. Alle wollen rein – da gilt es, eine immer höhere Mauer aufzubauen. Das ist für Menschen wie mich, die da eigentlich schon Stamminventar sind und die Branche irgendwie mitgebaut haben, unangenehm. Dieses Mal musste tatsächlich einer unserer Partner zum Eingang kommen und mich persönlich an der Kasse akkreditieren, obwohl ich Tage vorher meine digitale Einladung eingelöst hatte – samt Datenabgabe und Hochladen des Handelsregisterauszuges. Da fühle ich mich dann so exklusiv, dass ich beinahe keinen Bock mehr habe. 

Und da sind wir schon im faktischen Paradoxon. Während vor 20 Jahren einfach nur überzeugte Ökos dorthin sind und es an Endverbrauchern gemangelt hat, ist es heute beinahe umgekehrt. Heute dominieren Männer in blauen Anzügen und Damen in adretten Kostümen das Bild. Von BiopionierInnen in Latzhosen und Kartoffelsack-Look sind nur noch rudimentäre Spuren übrig. Heute ist jeder Lebensmittelkonzern auf den rentablen Zug aufgesprungen – kaum eine Handelsmarke die was auf sich hält und nicht vertreten wäre. International agierende Firmen, die hunderte Quadratmeter besetzen, haben den Biobauern aus dem Knoblauchsland entweder verdrängt oder längst geschluckt. 

Das ist übrigens nicht immer nur negativ, aber man merkt unter dem Strich, Bio ist Bizz. Gleichzeitig gut – gleichzeitig schlecht, denn von dem was ich sehe schmeckt das meiste gut; vieles würde aber einen echten Biocheck nicht überstehen. Vor allem Vegane Chemiekastenmischungen haben zumindest den Anschein eine Menge Energie und Ressourcen zu brauchen, damit sie nach irgendwas schmecken. Da ist wohl eher das Gewissen dann Bio als die Energiebilanz.  Andere Produkte waren schon immer Bio; keiner hat’s gewusst oder wissen wollen; jetzt wo sie auf der Biofach ausgestellt werden, bekommen sie das begehrte Sternchen. 

Mein Lieblingsbeispiel: Fleisch aus dem Wald, sozusagen per Jagdgewehr frisch geerntet. Für die Ökos der ersten Stunde war Bambi ein Zeichen für Frieden mit der Natur – nicht für politisch korrekte Essensaufnahme. In dem Sinne eine Korrektur der Logik, die schon immer so war, aber zwischenzeitlich der naiven Weltverbesserungsgefühllage weichen musste. Umso mehr darf man glücklich sein über die vielen Normalos; also diejenigen Betriebe die über Jahrzehnte mithilfe von subventioniertem Dünger produziert haben und letztendlich festgestellt haben, dass es auch ohne Chemie möglich ist Gemüse, Früchte und Fleisch zu produzieren. Die Anzahl dieser ist sprunghaft angestiegen und dies weltweit. Das merkt man auf der Biofach. Denn die einfachen Lösungen sind meistens die guten und das BIO ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. 

Die Produktpalette umfassend – kein Wunsch, der nicht auch bio befriedigt werden kann. Ein großes Problem bleibt. Deutschland ist für die Branche ein Leitmarkt – deshalb ist die größte Messe auch hier zuhause. Nur prinzipiell geben die Deutschen VerbraucherInnen unterdurchschnittlich wenig Anteile ihres Einkommens für Nahrung aus und erwarten Superdiscount, denn nirgends auf der Welt ist Discount so normal wie in Deutschland. Das macht die Branche für jede konjunkturelle Delle hoch anfällig. 

Im letzten Jahr bedeutete das einen Umsatzeinbruch um 3%! Wem betriebswirtschaftliche Kennzahlen geläufig sind weis: das ist echt VIEL! Da bringt es wenig das die Inflation die Branche unterdurchschnittlich getroffen hat. Weniger Umsatz trotz hoher Inflation bedeutet das Schrumpfen von Gewinnmargen auf manchmal unter Null. Das ist ein echtes Problem, denn niemandem kann zugemutet werden, gutes Essen auf eigene Kosten zu produzieren. 

Aus meiner Sicht müssen drei Parameter ineinander greifen. Erstens: der Durchschnittskunde muss bereit sein, einen höheren Anteil seines Einkommens für gutes Essen auf den Tisch zu legen. Zweitens: die Biowirtschaft muss ihren Output steigern um die Gemeinkosten zu senken damit letztendlich der Endkundenpreis nach unten geht, denn das aktuelle Preisniveau bei vielen Bioprodukten ist für einen großen Teil der Bevölkerung einfach unerschwinglich. Der Biomarkt darf kein Luxusmarkt für Besserverdienende bleiben. Drittens: und das kommt beiden ersten Punkten zugute: regionale Wirtschaftskreisläufe senken die Transportkosten und machen die Produktionskette transparent. Wer regional denkt, ist daher der bessere Öko und hilft der Umwelt wirklich. Es liegt an Verbrauchern, der Branche und der Politik zusammen Bio zur Normalität zu machen, denn eines ist auch klar: wenn der Großteil des Produktsortimentes im Einzelhandel auf natürliche Weise produziert wird, dann haben wir einen Paradigmenwechsel erreicht und brauchen nur noch ein Produktlabel für die Restprodukte die dann eben “UnBio” sind.

Ciao Tegel TXL – ich werde Dich vermissen!

Achtung Achtung – ich will es nur gesagt haben bevor mensch später sagen wird hättest Du es halt geschrieben, dann würden wir es dir heute glauben und daher: Heute wird der Betrieb des nachhaltigsten Flughafens in Deutschland eingestellt. Und das während einer Pandemie, die den Flugverkehr für ein Jahrzehnt zumindest halbiert. Mit einer gewissen Unwahrscheinlichkeit könnte der Flugverkehr im Zusammenhang mit der Umsetzung der Klimadiskussion sich sogar für immer verändern.

Fakt ist heute, dass mit der Schließung des Flughafens Berlin und der Übernahme durch Schönefeld eine weitere Umweltsünde manifestiert wird. Denn der Ausstoß an CO2 am neuen Standort erhöht sich unnötig.  Wie passiert das?

Erstens freilich durch die mehrfache Transferdistanz zur Innenstadt. Jeder Benutzer des Flughafens verbraucht bei der Anreise ca. das doppelte an Zeit und Energie.

Zweitens durch den offensichtlichen Oversizeeffekt. Wenn ich schätzen müsste und der Flugverkehr wirklich wieder nur eine Richtung nach oben (nach der Pandemie) kennt, dann würde ich von ca.30 Jahren ausgehen bis der Flughafen Schönefeld die richtige Größe für den tatsächlichen Bedarf hat. Bis dahin zahlen wir Alle in barer Münze, Zeit und CO2 für die Fehlplanung.

Drittens und entscheidend: TXL war Bundesmeister bei der Durchlaufzeit zwischen Flieger & Taxi/Bus/Bahn. Eine solche Durchlaufzeit ist kaum organisierbar und in Schönefeld gar nicht gewollt. Vielmehr hat man dem Flughafen ein Einkaufszentrum aufgesetzt für das es entscheidend ist, dass die Verweildauer am Flughafen möglichst lange ist. Natürlich bezahlen wir alle diese Unproduktivität durch unnötige Ausgaben für Strom, Heizung und überflüssig bebauter Fläche. Für die Geschäfte am Flughafen heißt es nicht anderes als überhöhte Mietpreise – für den Fluggast teure Produkte. Warum gibt es eigentlich in Deutschland wo alles geregelt ist keinen Höchstpreis für Kaffee? 

Natürlich könnten die PolitikerInnen von SPD,CDU,Grünen die hauptsächlich am Ruder und an der Umsetzung beteiligt sind, heute handeln und den Wahnsinn zumindest  für ein Jahrzehnt aussetzen. Es würde Millionen Tonnen CO2 sparen, woran alle drei oben genannten Parteien angeblich Interesse haben. Es wäre an der Zeit mutige Schritte zu gehen und Fehlplanung und Korruption zu beenden. Warum pimpen wir den ICE vom Flughafen FRA nach Berlin Hauptbahnhof nicht auf eine realistische Fahrzeit von 1,5 Stunden. Das ist vergleichbar mit der aktuellen Anbindung von Schönefeld zum Hauptbahnhof. Dann ist halt FRA auch ein Berliner Internationaler Flughafen. Für den Besucher aus USA macht das keinen Unterschied – für die CO2-Bilanz macht es allemal einen Unterschied. Die einzigen die hier eine Gedankensperre haben sind korrupte RegionalpolitiikerInnen weil sie angeblich Macht und auf jeden Fall Posten, Fototermine und kostenlosem Sekt mit Häppchen verlieren. Emanzipiert Euch bitte vom Regionalismus – nicht in jeder Stadt kann es ein internationales Superhub geben – Folge ist Megalomanismus und Geldverschwendung. Lasst uns doch so lange es geht freuen, dass wir überhaupt einen so großen Flughafen in DE haben – so lange es halt geht weil die Flugkapazitäten verlagern sich ohne jegliche Einflussnahme unbekannter Berliner BezirkspolitikerInnen. (Zur Zeit an den Persischen Golf und FernOstChina) Souverän wäre es für Berlin würde es endlich alle Straßenbaustellen abschliessen sowie genügend Kapazitäten zur Verfügung stellen damit die S Bahn wirklich immer fährt und kein running Gag ist. Dann hätte man wirklich was womit man seine Hauptstadt promoten könnte. Übrigens sind beide Maßnahmen ebenfalls CO2 sparend! 
Ok gleich kommen paar schwäbische Neuberliner und schrieben mir in die Kommentare wie schlimm das ist mit dem Flughafen.
Liebe Ökofaxe – ich kenne fünfmal so viele Tegeler und Anrainer die mir geschworen haben, wie schön es ist fix zum Flughafen rüberzumachen wenn man in Urlaub will als Bewohner die sich sonst über den Lärm in der Einflugschneise beschwert haben. Ich bin mir sicher wenn Bürgerentscheide in Berlin bindend wären, dann hätten die Berliner gegen den Schönefeldwahnsinn gestimmt. Ganz sicher. Aber das ist für RotRotGrün wohl zu viel Demokratie. 

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